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Klassische Dressur und Clickertraining

Asfaloth und ich bei Anja Beran - 2012
Asfaloth und ich bei Anja Beran - 2012

Für mich ist die klassische Dressur das Leitbild das ich anstrebe, wenn ich auf dem Pferd sitze. Auch wenn wir meilenweit davon entfernt sind ein solch hohes Niveau der Reitkunst zu erreichen, so ist es doch wichtig zu wissen, wohin man möchte. Um gute Bewegungen mit dem Markersignal hervorheben zu können, muss man diese und deren Vorstufen, auch erkennen können. Man muß ein ideales Bild vor Augen haben, um zu wissen, welche Schritte dorthin führen, damit man sich den Trainingsplan erarbeiten kann. Anja Beran und Vera Munderloh beim Reiten zu beobachten hat mir ungemein geholfen, mein Auge zu schulen und Balance besser zu verstehen. Ich weiss nun WAS ich mit meinen Pferden erarbeiten muss um Gesundheit und Balance zu verbessern und zu erhalten. Nun bin ich leider keine so talentierte Reiterin wie Anjas Schülerinnen. Aber ich kann das teilweise ausgleichen mit dem Wissen WIE man einem Pferd etwas beibringt und beide Spaß dabei haben können. 

Clickertraining, wie Alexandra Kurland es unterrichtet, beinhaltet bereits die Prinzipien der klassischen Dressur, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint, denn Alexandras Übungen haben sehr unkonventionelle Namen. Aber nur durch Alexandras Arbeit konnte ich mir Anjas Arbeit erschließen und so, trotz mangelnden Talents, haben wir nun doch tatsächlich die Piaffe und deutlichen Anfänge der Passage erarbeitet. Wer hätte das gedacht?

Alexandra Kurland bei Anja Beran

Seit 2015, als ich Alexandra im Rahmen eines Clickertraining Workshops zu einem kurzen Besuch zu Anja Beran brachte, kommt Alexandra regelmäßig zum International Classical Dressage Workshop, den Anja Beran jedes Jahr im Juli organisiert. Es ist eine fantastische Gelegenheit zwei so großartige Trainerinnen zusammen zu haben.

2015

2016


Mary Concannon, Alexandra Kurland, Michaela Hempen und Anja Beran - 2015
Mary Concannon, Alexandra Kurland, Michaela Hempen und Anja Beran - 2015
Alexandra Kurland, Michaela Hempen, Vera Munderloh, Marla Foreman (und Mary Concannon hinter der Kamera) - 2016
Alexandra Kurland, Michaela Hempen, Vera Munderloh, Marla Foreman (und Mary Concannon hinter der Kamera) - 2016

2017

 

In Episode #21 des populären Equiosity Podcasts erzählt Alexandra Kurland von ihrem Besuch bei Anja Beran im July 2017 und lädt mich ein zu erläutern, weshalb ich so begeistert bin von dem was ich bei Anja sehe.

https://www.equiosity.com/single-post/2018/08/09/Episode-21-A-Postcard-From-Germany

 

Heather Binns hat uns begleitet und beschreibt ihre Eindrücke vom Besuch bei Anja in ihrem beliebten Horse Magic Blog 

https://horsemagic.blog/2018/09/25/horse-adventures-in-europe-2018/

Alexandra Kurland und Michaela Hempen (und Heather Binns hinter der Kamera) - 2017
Alexandra Kurland und Michaela Hempen (und Heather Binns hinter der Kamera) - 2017

Im Anschluss an unseren Besuch in 2015 habe ich dieses Interview mit Anja und Alexandra geführt. Es war erstaunlich, wie viele Gemeinsamkeiten zum Vorschein kamen. 

 

Viel Spaß beim Lesen!

Ein paar Fragen an Alexandra Kurland und Anja Beran:

Welche Eigenschaften sollte ein Trainer mitbringen?

Anja Beran auf dem Lipizzanerhengst "Favory Toscana"
Anja Beran auf dem Lipizzanerhengst "Favory Toscana"

Anja Beran:

 

Ein Trainer sollte zunächst sportlich sein, ein sehr gutes Körpergefühl, bei hervorragender Koordination haben und zu Beginn seiner Laufbahn: reiten, reiten, reiten und etliche Pferde ausgebildet haben bis zur höchsten Stufe! Dadurch bekommt er Erfahrung, entwickelt sein Gefühl und kann sich in viele verschiedene Pferde hineinversetzen UND das ist das wichtigste, er weiß wie sie sich „anfühlen“. Denn nur so kann er später sinnvolle Hilfestellung vermitteln. Das technische Können muss die Basis seines Tuns sein, es sollte von umfangreichem theoretischem Wissen untermauert sein. 

Er sollte für jede Pferderasse und jede Reitdisziplin Interesse haben, um sein Wissen stets zu erweitern. Geduld und unaufgeregtes Herangehen an Pferde und Schüler sind wichtig! Möglichst schnell sollte er den Ist-Zustand eines Pferd- und Reiterpaares auffassen und den Unterricht individuell aufbauen. Entscheidend ist dabei für mich immer, dass er stets auf der Seite des Pferdes steht und diesem hilft mit seinem Reiter zurechtzukommen. Meistens kann im Unterricht ja nicht das verlangt werden was für das Pferd sinnvoll wäre, weil der Reiter nicht in der Lage ist, die evtl. schwierigen gymnastischen Übungen umzusetzen, sondern es muss fast immer ein Kompromiss gefunden werden um dem Reiter einen Fortschritt zu ermöglichen und gleichzeitig das Pferd nicht zu belasten, sondern zu verbessern. Kein leichtes Unterfangen, dafür benötig man Reife, viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Schließlich benötigt ein guter Reitlehrer auch noch eine große Portion soziale Intelligenz!

 

Aus Anja Berans neuem Buch 'Der Dressursitz' (2015):

 

"Bedenken Sie daher immer: Wenn ein Pferd etwas nicht macht, dann ist es dazu körperlich noch nicht in der Lage oder es hat nicht verstanden, was man von ihm möchte."

 

   Alexandra Kurland und Magic am langen Zügel - ohne Zügel
Alexandra Kurland und Magic am langen Zügel - ohne Zügel

Alexandra Kurland:

 

Die kurze Antwort ist Geduld und Durchhaltevermögen. 

 

Hier ist die lange Antwort:

 Wenn ich vor einer „Mauer“ eines Verhaltensproblems stehe, dann ziehe ich es vor entweder einen Weg drumherum zu  finden oder die so weit Mauer abzubauen bis ich mein Pferd nur noch über ein paar Ziegelsteine bitten muss. Wenn du genügend Ziegelsteine von der Mauer abbaust, wirst du letztendlich an einen Punkt gelangen, den jedes Pferd und jeder Mensch meistern kann. 

Das habe ich bereits sehr früh in meiner Pferdelaufbahn gelernt. Ich habe in einem nahegelegenen Reitstall Unterricht genommen, wo der Besitzer ein paar Rennpferde zusammen mit seinen Springpferden hielt. Ganz hinten im Stall war ein junges Vollblutfohlen, das für die Rennbahn vorgesehen war. Rennpferde werden in der Regel abgeduscht und deshalb wurde von dem Stutfohlen erwartet, dass sie dies toleriert. Die Aufgabe, diesem Fohlen den Umgang mit einem Wasserschlauch  beizubringen, fiel einem Teenager zu, der sie direkt zum Waschplatz brachte und versuchte sie abzuspritzen. Das Ergebnis war absehbar. Sie stieg und schlug mit den Vorderbeinen nach seinem Kopf.

 

Er schaffte es nie sie abzuspritzen aber überzeugte alle davon, dass sie  eine „Hexe“ sei, ein bösartiges Pferd, dem man nicht zu nahe kommen sollte. Interessant, dass immer dem Pferd die Schuld gegeben wird für unser schlechtes Training.

Er hat ihr auch eine langanhaltende Furcht vor Wasserschläuchen eingeflößt. Als ich ein paar Monate später begann mit ihr zu arbeiten, konnte ich sie nicht den Stallgang hinab zur Halle führen weil das bedeutet hätte über den Schlauch zu gehen, der benutzt wurde um Wassereimer zu füllen. Ich musste sie stattdessen den langen Weg  zum Hintereingang führen und das hiess über einen Berg an Einstreu zu klettern.

 

Ich bin mir sicher, der Trainer hätte eine andere Lösung gefunden. Er hätte sie dazu gebracht sich zu fügen. Es wäre zu einem Kampf gekommen und am Ende wäre sie über den Schlauch gelaufen. Sie hätte immer noch Angst vor dem Schlauch gehabt, aber sie hätte gelernt, dass sie keine Wahl hat. 

 

Ich war ein Anfänger mit Pferden. Ich wusste, dass ich nicht die Fähigkeiten hatte, einen solchen Kampf zu gewinnen, deshalb bin ich die Sache anders angegangen. Ich habe immer gesagt, dass ich zum Teil am besten trainiert habe, als ich am allerwenigsten wusste. Aber ich hatte Geduld und Durchhaltevermögen, und beides habe gut angewandt.

 

Jeden Abend habe ich sie aus der Box genommen und im Stallgang geputzt. Ich begann ungefähr sechs Meter vom Schlauch entfernt. Danach drehte ich sie vom Schlauch weg und wir gingen den langen Weg zur Halle. Jeden Abend putzte ich sie etwas näher beim Schlauch, aber wir drehten uns immer vom Schlauch weg und gingen in die andere Richtung. Ich habe sie nie direkt mit dem Schlauch konfrontiert.  Am Ende kamen wir an einen Punkt an dem sie ruhig neben dem Schlauch stehen konnte bis ich mit Putzen fertig war ohne beunruhigt zu sein. Eines Abends, anstatt umzudrehen, bat ich sie mir über den Schlauch hinweg zu folgen. Und sie tat es ohne zu zögern. Und danach folgte sie mir überall hin. 

 

Ich habe nicht versucht die Mauer zu durchbrechen. Stattdessen fand ich einen Weg sie Stein um Stein abzubauen bis die Stute bereit war hinüberzugehen. Sie erkannte, dass sie über Wasserschläuche gehen konnte ohne Angst zu haben. Und was noch wichtiger war, sie verstand, dass sie mir vertrauen konnte. Letzteres hatt ich nicht geplant. Ich wollte nur einen konfrontationslosen Weg finden um ihr zu zeigen, dass Schlauche ungefährlich waren. Dabei zeigte ich ihr, dass ich in meinem Verhalten vertrauenswürdig war. Man konnte auf mich zählen, ich war konsequent und auf ihrer Seite. Ich würde sie nicht streicheln und dann im nächsten Moment schlagen. 

 

Eines der vielen Dinge, die man beim Pferdetraining lernt ist, dass je länger du an einer Übung dranbleibst, desto mehr gute Dinge wird dir diese Übung geben. Konzentriere dich auf ein kleines erreichbares Segment und viele andere gute, oft unerwartete Resultate werden ebenfalls verwirklicht.

 

Heute habe ich mehr Fähigkeiten als damals, aber ich habe gelernt, dass sie am besten funktionieren, wenn sie auf Geduld und Beharrlichkeit basieren.

Alexandra Kurland hat auf ihrem Blog eine Reihe an Artikeln veröffentlicht zum Thema welche Eigenschaften gute Clickertrainer gemeinsam haben. Eine deutsche Übersetzung findet ihr auf meiner Seite über diesen Link.

Welche sind, Ihrer Meinung nach, die wichtigsten Punkte bei der Ausbildung eines Pferdes?

Anja Beran:

 

Beim jungen Pferd ganz klar das „Vorwärts“ vermitteln und das Verstehen der Hilfen, damit eine Sprache aufgebaut wird, mit der man dem Pferd seine Wünsche mitteilen kann. Das muss logisch, ruhig und konsequent erfolgen, damit das Pferd Vertrauen zu seinem Ausbilder aufbaut und motiviert wird.

Nach der Grundausbildung ganz klar das Erkennen der körperlichen Probleme eines jeden Pferdes einschließlich der Schiefe. Darauf baut sich ein individueller Gymnastikplan auf der das Pferd gerade richtet, vorwärts behält, versammelt (somit den Rücken aufbaut) und es insgesamt bemuskelt und schöner aussehen lässt. Bei Einhaltung der klassischen Lehre wird das Pferd dadurch zu einer ausdrucksvollen, stolzen Persönlichkeit heranreifen, weil man ausreichend belohnt, Pausen einbaut, es nie überfordert.

Alexandra Kurland:

 

Es gibt eine einfache Frage, die du dir jedes Mal stellen solltest, wenn du ein Pferd ausbildest: wie hilft dies meinem Pferd?

Die meisten Dinge die wir von Pferden erwarten sind zu unserem Vorteil. Weshalb reiten wir Pferde? Weil es Spaß macht. Daran ist nichts falsch - vorausgesetzt auch das Pferd hat etwas davon. Reiten sollte nicht auf Kosten des Pferdes gehen. Würden wir so reiten, dass das Pferd Gelenkschäden davonträgt, Rückenschmerzen, oder einen gebrochen Lebenswillen, dann wären die Kosten zu hoch. Deshalb muss ich beim Trainieren immer das Wohlergehen des Pferdes im Kopf haben. Erkläre ich es dem Pferd so, dass es verstehen kann und Spass dabei hat? Habe ich die Übungen herausgesucht, welche ihm auf lange Sicht helfen gesund zu bleiben? Hat das Pferd am Ende der Stunde wache Augen und macht den Eindruck, dass es noch weitermachen möchte? Dies sind gute Indikatoren, mit denen du eine individuelle Stunde und dein gesamtes Training einschätzen kannst.


Worauf achten Sie speziell, wenn Sie einem Pferd eine neue Übung beibringen?

Anja Beran:

 

In der klassischen Lehre bringt man keine Lektion bei, das klingt wie „Pudeldressur“, sondern die Gymnastik erlaubt allmählich immer erhabenere Bewegungsabläufe. Das Pferd zeigt uns wann es körperlich so weit ist, dass es z.B. aus einem Travers im Schritt auf einer Volte geritten, angaloppieren kann und schließlich daraus eine Pirouette entwickelt wird. Die körperliche Vorbereitung ist also das A und O!

Selbstverständlich gibt man sich mit kleinen Teilerfolgen zufrieden und lässt die Lektion über Jahre „reifen“. Wiederholen und Loben gehören dazu, ebenso wie die Analyse wenn es nicht funktioniert. Also nicht strafen, sondern überlegen WELCHE körperliche Voraussetzung war nicht da. War das Pferd zu schief, zu viel auf der Vorhand oder woran lag es? Ich achte also extrem auf den körperlichen Zustand und versuche stets heraus zu finden welche Verspannung ich evtl. noch lösen muss, welches Hinterbein evtl. noch zu schwach ist usw.

Alexandra Kurland: 

 

Beim Training schaue ich immer auf das Gleichgewicht. Wie trägt sich das Pferd? Wo in seinem Körper beginnt die Bewegung? Wo hört sie auf? Wo ist der Bewegungsfluss unterbrochen? Das bringt mein Auge auf die Kernkomponente die ich erklären muss. 

Um mit Clickertraining eine neue Fähigkeit zu entwickeln, wollen wir unseren Unterricht so gestalten, dass unser Schüler eine hohe Rate an Verstärkern erhält. Diese hohen Verstärkerraten erhalten wir dadurch, dass wir komplexe Aufgaben in kleine Komponenten aufteilen. Wir gestalten die Umgebung so, dass der Schüler leichter erfolgreich sein kann. 

Das sind generelle Leitlinien, die dir nicht sagen, WAS du trainieren sollst - sie sagen nur WIE. Das WAS ergibt sich aus der Analyse des Gleichgewichts. Selbst die Art wie ein Pferd die Futterbelohnung von deiner Hand nimmt, steht im Zusammenhang mit Gleichgewicht. Lehnt es sich auf meine Hand, weil es auf die Vorhand fällt? Verdreht es seinen Hals um an das Futter zu kommen, weil es schief ist? Balance ist überall und alles. Wenn du Pferde aus diesem Blickwinkel betrachtest, dann wird es das Kernelement und der Schlüssel für jede neue Fähigkeit die du ihm beibringst.


Wenn ich Videos von Nuno Oliveira ansehe, dann erkenne ich dieselben Übungen, die ich auch bei Ihrem Training sehe. Würden Sie sagen, daß Sie stark von N. Oliveiras Arbeit beeinflusst sind? Was ist so speziell an seiner Arbeit?

Anja Beran auf dem P.R.E.-Hengst "Ofendido"
Anja Beran auf dem P.R.E.-Hengst "Ofendido"

Anja Beran:

 

Nuno Oliveira hat mich beeinflusst weil mein Ausbilder mit dem ich 26 Jahre gearbeitet habe, sehr viel von Oliveira übernommen hat und wir sehr oft dessen Ritte auf Video analysiert haben. Zum einen war es sein extrem guter Sitz mit einem hervorragenden Rücken und sanften Beinen und Armen, wodurch er die Pferde sehr vor sich hatte und deren Rücken schließen konnte und sie außerdem in extremer Weise „fein“ ja nahezu „hypersensibel“ an den Hilfen hatte. Zum anderen war er sehr belesen, hatte sämtliche Meister studiert – sie prägten seine tägliche Arbeit und erlaubten ihm auch ungünstig gebaute und schwache Pferde aufs höchste Niveau zu fördern. Das gibt es heute fast nicht mehr! Seine Piaffen und Passagen waren ausdrucksvoll und reell und mit unsichtbaren Hilfen geritten! Und immer stand dieser körperliche Aspekt im Vordergrund, das Pferd analysieren, gymnastizieren (beweglich machen, gerade richten usw.) um es körperlich gesund zu erhalten und auf ein hohes Niveau zu bringen.

Alexandra Kurland:

 

Ich hatte das Glück von zwei Schülern von Nuno Oliveira unterrichtet zu werden. Meine erste Lehrerin war eine regelmäßige Besucherin in Portugal. Sie führte mich in N. Oliveiras Arbeit ein durch ein Pferd, das ursprünglich von N. Oliveira ausgebildet wurde. Als ich ihr das erste Mal beim Reiten zusah, sagte ich zu ihr: “Du kannst mir nicht einfach diese Arbeit zeigen ohne mir zu beizubringen wie es geht.” Ich hatte sehr viel Glück. Sie nahm eigentlich keine Schüler, aber sie willigte ein mich zu unterrichten. Das war der wirkliche Beginn meine Reitkarriere. Hätte ich nicht das Glück gehabt, auf diese Arbeit zu treffen, wäre ich eine durchschnittliche Reiterin durchschnittlicher Pferde geblieben. Stattdessen hatte ich aussergewöhnliche Pferde weil Oliveiras Arbeit darauf ausgerichtet ist, genau  dies zu erreichen. Vermutlich hätte ich trotzdem Clickertraining unterrichtet, aber es hätte eine viel einfachere, oberflächliche Grundlage. Clickertraining hätte sich nicht mit solcher Tiefe und breiten Verwendungsmöglichkeiten entwickelt ohne den Einfluss von N. Oliveiras Arbeit. 


Ich rate Leuten oft, sie sollen nach einem Erscheinungsbild suchen, das ihnen gefällt. Verlass dich nicht darauf was andere Leute sagen wie es aussehen soll. Finde etwas das dir gefällt. Nuno Oliveiras Arbeit hat mir gefallen. Was genau mir daran gefallen hat, wiedergegeben in den wunderschönen Pferden meiner Lehrerin? Tiefe, tiefe Entspannung gepaart mit großer Energie und Enthusiasmus. Es scheint ein Widerspruch zu sein, dass beides zusammen existieren kann aber das ist die Schönheit an Oliveiras Arbeit. Die Pferde haben ein großes Vertrauen in diese Arbeit. Sie arbeiten mit großer Energie, aber nicht mit der Verspannung, die aus Furcht entsteht. Sie arbeiten in Leichtigkeit. Sie arbeiten auf ein Nachgeben, nicht einem Anziehen, deshalb haben sie die Freiheit sich auszudrücken in Balance mit dem Reiter.


Und es gibt noch mehr. Viele Reiter können Seitengänge reiten. Das Schulterherein zu erlernen ist dabei nur der Anfang. Aber zu lernen dies zu benutzen um einem Pferd zu helfen gesünder zu werden, mehr ins Gleichgewicht zu kommen, und schöner zu werden zeigt erst den wahren Wert dieser Arbeit. Ich wurde erst durch das Aussehen inspiriert und dann vom Gefühl, aber zu sehen wie Pferde zu besserer Gesundheit geritten werden, hat mich zu einer lebenslangen Schülerin seiner Arbeit werden lassen.

Welchen Rat würden Sie Reitern geben, die ihr Pferd gerne nach klassischen Prinzipien ausbilden würden, aber keinen guten Trainer in ihrer Umgebung haben? Können sie trotzdem ihr Pferd klassisch ausbilden?

Anja Beran:

 

Lesen-lesen-lesen! Gute Videos ansehen. Nachdenken! Evtl. gute Ausbilder besuchen, den Blick schulen und versuchen nachzumachen. Ist extrem kompliziert. Aber wie ich neulich in einem Vortrag sagte: „Wenn wir schlecht reiten ist es trotzdem besser das GUTE schlecht zu probieren, als das SCHLECHTE schlecht zu probieren“ (weil eine Frau meinte sie traue sich an ein Übertreten oder so nicht heran, weil sie so schlecht reitet und deshalb trabt sie nur auf dem Zirkel herum).

Alexandra Kurland und P.R.E. Wallach Icaro (Foto: Heather Binns)
Alexandra Kurland und P.R.E. Wallach Icaro (Foto: Heather Binns)

Alexandra Kurland:

 

Einer der vielen Vorteile von Clickertraining ist, dass es jede Stunde in viele kleine Schritte zerteilt. Jedes Mal wenn du clickst und deinem Pferd eine Futterbelohnung gibst, erschaffst du einen Trainingsschritt. Dann kommt irgendwann die Goldlöckchen-Frage auf: Ist dein Trainingsschritt zu klein, zu groß oder genau richtig? Dein Pferd wird die Frage beantworten. Sind die Schritte zu klein, wirst du festsitzen und keine Fortschritt sehen. Sind sie zu groß, zeigt sich dein Pferd frustriert und verwirrt. Sind sie aber genau richtig, wirst du und dein Pferd viel Erfolg haben - und viel Spaß auf dem Weg zu deinen Reitzielen.

 

Ein anderer Vorteil von Clickertraining ist, dass du am Anfang etwas Zeit darauf verwenden musst es vorzubereiten. Der Begriff Clickertraining wurde von Karen Pryor geprägt, eine der frühen Pioniere dieser Arbeit. Es bezieht sich auf eine wissenschaftlich fundierten Methode des Trainings, die auf den Prinzipien beruht, welche die Forschung zum operanten Lernen hervorbrachte. Das könnte über viele Trainingsmethoden gesagt werden. Was Clickertraining von anderen Trainingsformen unterscheidet ist die Verwendung eines Markersignals welches mit positiver Verstärkung gepaart wird. Das Markersignal (der Clicklaut) sagt “Ja” zum Pferd: dieses Verhalten, das du mir gerade gezeigt hast, dieses etwas erhabenere Anheben der Schulter, oder das etwas weitere Vortreten des Hinterbeines, war genau was ich gesucht habe. Auf das “Ja” folgt dann das “Danke”. Bei Pferden ist das “Ja”, der positiver Verstärker, meist ein Futterlob. Das ist die einfachste Art dem Pferd etwas zu geben wofür es aktiv arbeitet um es zu bekommen.

 

Du musst deinem Pferd die Futterregeln erklären, und du musst ihm Zeit geben um herauszufinden, was er mit der Information machen kann, die der Click ihm gibt. Am besten funktioniert das mit einfachen Verhalten. Ich verwende sechs Grundlagenübungen um ein Pferd mit Clickertraining vertraut zu machen. Diese sind Targeting, Rückwärtsgehen, Kopf senken, auf einer Matte stehen, “Die Erwachsenen reden, bitte unterbrich uns nicht” und “Fröhliche Gesichter”. Letztere benötigen eine Erläuterung. 

 

“Die Erwachsenen reden, bitte unterbrich uns nicht” bedeutet, dass ich mein Pferd dafür verstärke, dass es seine Nase von der Futtertasche weghält. Das Pferd wird dann ruhig neben mir stehen, mit seinem Kopf gerade nach vorne schauend. “Die Erwachsenen” bringt  meinem Pferd gute Manieren bei und emotionale Selbstkontrolle um Futter herum. Als Endergebnis habe ich ein Pferd das ruhig neben mir stehen kann wenn ich mich mit jemandem unterhalte obwohl meine Taschen voller Leckereien sind. Mein Pferd behält einen höflichen Abstand weil er gelernt hat, dass der beste Weg um an Leckerlis zu kommen ist von ihnen weg zu gehen. Die emotionale Kontrolle, die er durch diese einfache Übung lernt, wird sich durch den Rest seines Trainings ziehen.

 

„Fröhliche Gesichter“ bedeutet dass ich anfangs mein Pferd dafür verstärke, dass es seine  Ohren nach vorne spitzt. Die Person lernt dabei auf die Körpersprache des Pferdes zu achten und das Pferd dafür zu verstärken einen entspannten, ruhigen Ausdruck zu zeigen. Durch diese Detailgenauigkeit wird die Person besser bei der Interpretation der Signale, die das Pferd über seinen emotionalen Zustand kommuniziert.

 

Diese sechs Grundlagenübungen sind sehr einfach und aus gutem Grund. Wir verwenden einfache Verhalten um Pferd und Mensch in komplexere Konzepte einzuführen. Diese einfachen Verhalten geben dir die Bausteine mit denen du deinem Pferd schöne Balance beibringen kannst. Du beginnst mit einer einfachen Frage, leicht zu erfüllende Erwartungen um dann, nach und nach, in kleinen Schritten, zu den komplexen Verhalten zu gelangen.

 

Für viele ist es inspirierend und einschüchternd einem schönen Dressurpferd zuzusehen. Es ist schwer vorstellbar je dieses Ziel erreichen zu können, insbesondere wenn man niemanden in der Nähe hat der helfen könnte. Aber wenn du dieses schöne Pferd inspirierend sein lässt, dann kann Clickertraining dir in kleinen Schritten helfen dieses höhere Ziel zu erreichen.

 

Vorher habe ich die Metapher einer Mauer verwendet.  Lass mich das weiter ausbauen. Stell dir eine riesige Mauer vor, die den Pfad, den du entlang reitest versperrt. Ein paar Pferde und Reiter werden fähig genug sein um darüber zu springen. Sind sie erfolgreich, wird der Reiter auch das nächste Pferd darüber springen und dann weitere. Und es wird den Reiter dazu verleiten, den Sprung noch höher zu machen. Am Ende wird er entweder die Mauer so hoch machen, dass sie kein Pferd springen kann oder er wird versuchen ein Pferd darüberzubringen, das es gar nicht schaffen kann. So oder so, sie werden stürzen. Wenn du aber die Mauer niedriger machst werden mehr Pferde und mehr Reiter den Sprung schaffen,. Trotzdem wird es immer noch welche geben, die es nicht schaffen. Ihnen fehlt dazu entweder die körperliche Fähigkeit, die Technik oder das Vertrauen. Mache sie noch etwas niedriger, und manche derjenigen, die vorher nicht darüberspringen konnten, schaffen es jetzt. Verwandle die Mauer in einen Kreuzsprung, weitere werden erfolgreich sein, aber es gibt immer noch welche, die nicht einmal den kleinsten Sprung schaffen. Vielleicht musst du es in eine Bodenstange umwandeln oder eine Linie in den Boden malen oder sogar einen Weg um den Sprung herum finden statt darüber zu gehen.

Wenn ich beim Training vor einer „Mauer“ stehe, ziehe ich es vor, einen Weg drumherum zu finden oder die Mauer so auseinanderzunehmen, dass mein Pferd nur noch über ein paar kleine Ziegelsteine gehen muss. Wenn du genug Ziegelreihen von der Mauer wegnimmst, wirst du letztendlich den Punkt finden, an welchem jedes Pferd und jede Person erfolgreich sein kann.

 

Diese Metapher hilft dir wenn du keinen Lehrer zur Hand hast. Du kannst trotzdem Fortschritte machen. Du musst nur den nächsten kleinen Schritt finden. Egal wie komplex das gewünschte Verhalten ist, zu diesem Zeitpunkt brauchst du nur an einem kleinen, nächsten Schritt arbeiten. Du solltest immer das Gefühl haben, dass du an einem Ziel arbeitest das du erreichen kannst. Das nächste Teil in deinem Puzzle der klassischen Dressur ist immer ein kleiner, leicht erreichbarer, nächster Schritt.

 

Woher weißt du nun, welche Schritte du wählen sollst? Darauf gibt es zwei Antworten. Die erste ist: lass sie dir von deinem Pferd zeigen. Es wird dir immer zeigen, woran du als nächstes arbeiten musst. Wenn es mit einer bestimmten Übung Schwierigkeiten hat, dann bedeutet das, dass die Schritte zu groß waren. Vielleicht gibt es körperliche Mängel, welche die Übung so schwer machen. Sobald du die kleineren Schritte hast wirst du Wege finden erfolgreich sein kann. Mit Hilfe der kleineren Schritte wird dein Pferd die Art der Bewegung finden, die ihn komfortabel und gesund erhält. Und das ist die Essenz der klassischen Dressur. Es hilft Pferden während ihres Lebens als Reitpferd gesund zu bleiben. Du könntest meinen, dass du an den Anfängen der Basisübungen arbeitest, aber tatsächlich bist du bereits auf der ersten Treppenstufe der klassischen Dressur.

 

Zweitens: finde ein Erscheinungsbild das dir gefällt. Finde Fotos, Videos von Pferden, die dich zum Lächeln bringen. Diese Bilder können sich im Laufe der Zeit verändern. Im Laufe deines Lernens verändert sich vielleicht deine Idee davon, was du als schön empfindest. Der ausdrucksvolle starke Trab wird vielleicht von einem Pferd im ruhigen Schritt abgelöst. Lass die Bilder wechseln, sich entwickeln, wachsen, so wie dein Verständnis über Balance wächst. Diese Bilder sind nur Sprungbretter um dir zu helfen das Bild zu finden welches zu dir und zu deinem Pferd passt.

Welchen Rat geben Sie ihren Schülern damit sie ihren Sitz verbessern können?

Anja Beran:

 

Physiotherapie um abzuklären ob sie gerade und beweglich sind. Tanz und Gymnastikstunden buchen, um die Punkte Stabilität (Nötige Körperspannung) und Mobilität (Beweglichkeit) zu trainieren, aber auch um Körperwahrnehmung (alles vor dem Spiegel) und Koordination zu verbessern, denn ohne die letzten beiden Punkte nützt alles nix. Eine gute Haltung erlangt man nicht erst auf dem Pferd, sondern vorher!!! Der Rest ist dann im Sattel üben, üben, üben, aber alles ÜBEN ist vergebens wenn die Grundvoraussetzungen wie vorher angegeben nicht stimmen!

 

Zur Vertiefung sehr zu empfehlen

Anja Berans Buch:

Der Dressursitz.

Richtig sitzen - Feiner reiten - Gesunder Pferderücken

Crystal Verlag, 2015


Alexandra Kurland:

 

Beginne immer zuerst am Boden. Übe zuerst ohne Pferd. Laufe selbst, was du später reiten möchtest. Wenn du einen Zirkel reiten möchtest, dann laufe erst einen Zirkel. Stell einen Pylonen auf und laufe in einem kleinen Kreis um ihn herum. Was beobachtest du? Perfektes Gleichgewicht? Vermutlich nicht. Vielleicht spürst eine stärkere Belastung auf den Gelenken deines inneren Beines? Vielleicht merkst du beim Laufen, dass dein Zirkel nicht wirklich rund ist. Der Abstand zum Pylonen ist mal größer, mal kleiner. Der Pfad erinnert dich an Pferde, die beim Longieren Schwierigkeiten haben auf dem Zirkel zu bleiben. Du kannst dir sicher vorstellen, dass du, wenn du ein Pferd wärst, auf die innere Schulter fallen und versuchen würdest, dies auszugleichen indem du Kopf und Hals nach außen lehnst. 

Wie kannst du dieses Bild ändern? Welche Gleichgewichtsänderungen kannst du vornehmen, damit du in besserer Balance um den Pylonen laufen kannst? Wenn du die Antworten auf diese Fragen gefunden hast, dann frag dein Pferd was es davon hält. Wenn du reitest, versuche dieselben Veränderungen vorzunehmen, die die am Boden geholfen haben ins Gleichgewicht zu kommen. Wie reagiert dein Pferd? Nimm diese Information mit zu deinen Übungen am Boden und verbessere was du bereits ausprobiert hast. 

 

Du kannst nicht nur Zirkel auf diese Weise verbessern, sondern alle Hufschlagfiguren, auch, und ganz besonders, die Seitengänge. Verstehe die Balance und Gleichgewichtsverschiebungen, die du abfragen willst, erst vom Boden aus. Laufe es zuerst ohne Pferd damit du deinen eigenen Körper verstehst. Dann versuche dieselbe Übung mit deinem Pferd an der Hand. 

 

Ich unterrichte alles zuerst am Boden. Bevor ich etwas unter dem Sattel abfrage, möchte ich wissen ob mein Pferd es auch ohne Reiter kann. Wenn ich möchte, dass es unter einem Reiter in einem schönen Gleichgewicht trabt, dann ist es sinnvoll dies zuerst am Boden ohne Reiter zu trainieren. Wir reiten Schulpferde, weil ihre guten Bewegung uns einen guten Sitz beibringen. Ein Pferd vom Boden aus gute Bewegungen beizubringen, bringt es einen Schritt näher, selbst ein gutes Schulpferd zu werden. Wenn du dann aufsitzt, wird es dir helfen dieses wunderbare Gefühl des Gleichgewichts zu finden, das du gesucht hast.


Übrigens rät auch Anja Beran zum Laufen der Seitengängen am Boden damit das Bewegungsmuster im eigenen Körper klarer wird. In ihren Seminaren werden die Teilnehmer eingeladen Sitzübungen ohne Pferd zu machen um eine aufrechte Haltung zu finden und die verschiedenen Seitengänge in der Halle abzulaufen.

Wie würden Sie das Training eines aggressiven Pferdes gestalten, das gelernt hat dem Menschen zu misstrauen?

Anja Beran:

 

Da kann man nicht verallgemeinern. Wichtig wäre die Vorgeschichte zu kennen, um zu wissen welche Situationen man vermeiden sollte und dann hilft nur Ruhe, Zeit und Geduld. Wo man anknüpfen kann, ob am Boden oder unter dem Sattel hängt vom Pferd ab.

Geschützter Kontakt (Klicke auf das Bild um zum Orginalartikel zu gelangen)
Geschützter Kontakt (Klicke auf das Bild um zum Orginalartikel zu gelangen)

Alexandra Kurland:

 

Wenn ich ein Pferd mit Clickertraining vertraut mache, beginne ich immer im geschützten Kontakt. Das bedeutet, das Pferd ist entweder unangebunden in seiner Box oder einem kleinen Auslauf, aber ich bin außen auf dem Stallgang. Es gibt eine Barriere zwischen uns. Das kann eine einfache Boxensperre sein oder der feste Zaun des Paddocks. Geschützter Kontakt bedeutet, dass es dem Pferd freigestellt ist mit mir zu interagieren oder nicht. Es kann im hinteren Teil der Box Heu fressen. Es kann sich abwenden und mich komplett ignorieren. Oder es kann nach vorne kommen und mit mir interagieren. Das Pferd hat die Wahl.

 

Die meisten Pferde sind neugierig. Wenn ich an der Boxentür stehe und etwas in meiner Hand halte, wird es kommen um es sich genauer anzusehen. Click! Ich gebe ihm ein Leckerli. Ich sammele Daten. Seine Reaktion zeigt mir, wo ich mit dem Training beginnen sollte. Die zentrale Frage die ich stelle ist: Gibt es etwas in dem Verhalten des Pferdes das andeutet, dass es nicht sicher für mich wäre mit den Jackentaschen voller Futter zu ihm in den Stall zu gehen?

Ist die Antwort „Ja“ oder „Ich bin mir nicht sicher“, dann bleibe ich im geschützten Kontakt. Das habe ich von den Zooexperten gelernt. Ich behandle das Pferd wie ein wildes Tier, bis es mir das Gegenteil zeigt. In den häufigsten Fällen kann ich sehr schnell zu ihm rein gehen. Die meisten Pferde mit denen ich arbeite, sind den Umgang mit Menschen gewohnt. Sie haben vielleicht Trainingsprobleme, aber reagieren meist nicht so schnell aggressiv.

 

Manchmal arbeite ich mit Pferden die aggressiv sind oder mein Können herausfordern. Sie zeigen Verhalten, das es für mich gefährlich macht mit ihnen zu arbeiten. Beachte wie ich dies formuliere! Es ist entscheidend, dass jede Person meine erste Frage für sich selbst beantwortet. Gibt es etwas in dem Verhalten des Pferdes das andeutet, dass es nicht sicher für mich wäre, zu ihm in den Stall zu gehen? 

Jeder muss diese Frage für sich selbst beantworten. Der Besitzer hat eine Beziehung zu dem Pferd. Vielleicht ist es für den Besitzer sicher zu dem Pferd in den Stall zu gehen, aber für eine unbekannte Person ist es dies nicht. Ein anderer Trainer sieht vielleicht überhaupt keine Probleme zu dem Pferd rein zu gehen. Vielleicht denkt sie, dass sie die nötigen Fähigkeiten und Erfahrung besitzt, um mit dem Verhalten des Pferdes umgehen zu können. Oder vielleicht fehlt ihr die Erfahrung um zu wissen, dass sie ängstlich sein sollte.

 

Sicherheit kommt immer zuerst – sowohl für das Pferd als auch für den Trainer. Es ist unerheblich was andere denken. Wenn ich etwas in dem Verhalten des Pferdes sehe, das mir rät eine Barriere zwischen uns zu haben, dann mache ich genau das.

Vielleicht denkst du, dass eine Barriere zu sehr einschränkt aber mit etwas Kreativität wirst du merken, dass es tatsächlich mehr Freiheit gibt. Es gibt eine Menge Dinge, die du über eine Barriere hinweg trainieren kannst. Das wichtigste ist emotionale Kontrolle. Dein Pferd wird lernen wie man lernt.

 

Viele Pferde mit denen ich arbeite wurden für Fehler bestraft. In diesen Trainingssystemen, kann das Pferd Korrekturen nur umgehen, indem es herausfindet, was von ihm verlangt wird. Aber was geschieht mit Pferden, die nicht athletisch genug sind um prompt zu reagieren? Oder mit denen, die nicht imstande sind ihre inkonsequenten Trainer zu verstehen? Wenn sie ein Verhalten anbieten, das nicht gefragt war, werden sie bestraft. Solche Erwartungen führen schnell zu Frustration und Ängstlichkeit. Wenn das Pferd dann nicht flüchten kann, reagiert es aus Angst und versucht vielleicht zu beißen. 

 

Der geschützte Kontakt bietet Sicherheit für Pferd und Trainer. Mit einer Barriere zwischen euch werden deine Trainingsentscheidungen nicht von Angst bestimmt. Du kannst entspannen und ein besserer Trainer sein. Du zerteilst deine Lektion in kleine, leicht verständliche Schritte und das Vertrauen deines Pferdes wird wachsen. Er wird verstehen wie es die Rätsel lösen kann, die du ihm stellst. Die alten Gründe für sein aggressives Verhalten werden verschwinden.

 

Ich weiß, dass viele Menschen Clickertraining nie annehmen werden. Es gibt zu viele Dinge, die ihrer Grundüberzeugung entgegenstehen. Futterlob! Auf keinen Fall! Dem Pferd eine Wahl geben! Was für ein Blödsinn! Ich verstehe das. Ich versuche niemanden zu diesem Trainingsansatz konvertieren. Aber wenn wir es mittels Clickertraining schaffen würden, geschützten Kontakt in die Pferdewelt zu bringen, dann wäre das bereits eine sehr gute Sache.

Ich sehe so viele Beispiele, wenn Besitzer zu früh zu ihren Pferden in die Box gehen. Aggression entsteht aus Angst. Und ich beziehe mich dabei nicht nur auf die Pferde. Schau dir unser eigenes Verhalten an. Und schau wie aggressiv wir mit unseren Pferden sind. 

 

Ich weiß viele Leute behaupten sie hätten keine Angst vor Pferden. Vielleicht ist das so. Aber wenn ich mir ihre Ausrüstung ansehe, muss ich zu dem Schluss kommen, dass selbst wenn sie selbst keine Angst haben, dann hatte ihr Ausbilder Angst, oder der Ausbilder ihres Ausbilders. Irgendwo in der Geschichte ihrer Trainingstradition gab es Angst, sonst hätten sie nicht diese Ausrüstung und Trainingsansätze ausgewählt. Stattdessen ist es besser mit geschütztem Kontakt zu beginnen und zu warten bis beide, du und dein Pferd, sich wohl fühlen bevor du zu ihm in den Stall gehst. Dann kannst du einen wirklichen Dialog führen. Dort beginnt wirkliches horsemanship.

Frau Kurland, was kann Clickertraining zur klassischen Dressur beitragen? Was hat Sie daran so fasziniert dass Sie es zu Ihrer klassischen Ausbildung hinzugefügt haben?

Alexandra Kurland mit Peregrine und Robin
Alexandra Kurland mit Peregrine und Robin

Alexandra Kurland:

 

Vor über 20 Jahren hat mich eine Freundin, die Irische Wolfshunde trainiert, mit Clickertraining vertraut gemacht. Ich war fasziniert und bin sofort in den Stall gegangen um mein Pferd zu fragen was er davon hält. Zu dem Zeitpunkt hatte er Boxenruhe wegen eines Hufabszesses nach einem Anfall von Potomac Fieber. Er konnte nur sehr wenig tun. Er konnte nicht laufen, aber er konnte mit der Nase ein Target berühren. Die mentale Stimulation durch Clickertraining trug dazu bei ein fittes Pferd glücklich durch 7 Wochen Boxenruhe zu bringen. Es unterhielt uns beide aber was mein Interesse nach dieser Zeit wach hielt war der große Fortschritt in seinem Training als wir die Arbeit wieder aufnahmen. Unsere kleinen Clickerspiele haben sein Training wesentlich weiter vorangebracht als vor der Boxenruhe. Fasziniert erforschte ich, wozu dieses neue „Werkzeug“ zu gebrauchen war.

 

Was ich sehr schnell erkannte war, dass Clickertraining nicht einfach nur ein neues „Trainingsinstrument“ war. Für mich wurde es eine Art „Schirm“ unter welchem alles andere organisiert war. Es brachte die Trainingsprinzipien hervor, den Organisationsrahmen für alle Lektionen, die ich unterrichten wollte. Bei der Entwicklung des Clickertrainings für Pferde habe ich zwei Aspekte eingewebt, die mir wichtig sind: eine tiefgehende Liebe zu Pferden und Besessenheit von schöner Balance.

 

Viele Menschen, die sich meine Arbeit ansehen sagen, was ich mache wäre „viel mehr als nur Clickertraining“. Ich sollte es anders nennen. Ich frage sie immer nach Vorschlägen aber bisher konnte mir noch niemand etwas Besseres vorschlagen. Clickertraining finde ich passend. Wenn ich darüber spreche, beziehe ich mich nicht nur auf die Verwendung eines Markersignals. Ich rede über einen Trainingsstil, der auf dieser großen Liebe für Pferde basiert. Die Arbeit entwickelt sich immer weiter. Ich suche immer nach besseren Wegen um gutes Reiten und gute Balance zu lehren. Das bedeutet, dass im Clickertraining die Prinzipien und Techniken der klassischen Dressur eingebettet sind.

 

Wenn du ein gut ausgebildetes Pferd und Reiter beobachtest, dann gibt es nichts schöneres als klassisches Reiten. Aber es kann unerreichbar erscheinen außer für wenige talentierte Reiter und die wenigen, die von guten Ausbildern lernen dürfen. Das verringert die Anzahl derer, die diese schöne Kunst ausführen können, zu sehr. Für die wenigen glücklichen Pferde, die von diesen Meistern der Reitkunst geritten werden, ist das wunderbar. Aber was ist mit den restlichen Pferden? Was passiert mit ihnen? Clickertraining gibt ihren Reitern die Antworten.

 

Klassisches Reiten kann so wunderschön sein, aber das „Wie“ kann so unglaublich technisch und schwer nachvollziehbar sein. Clickertraining zeigt uns eine Möglichkeit diese Anweisungen in kleine, durchführbare Einheiten zu zerlegen um einen Ritt vom Gewöhnlichen ins Außergewöhnliche umzuwandeln. Es macht klassisches Reiten zugänglicher selbst für diejenigen, die keinen Lehrer in ihrer Nähe haben.

 

Clickertraining gibt dir die Möglichkeit, deinen Fuß auf die erste Stufe der klassischen Dressur-Leiter zu stellen, und es kann dir helfen den Weg bis ganz nach oben zu finden.

Anja Beran hat mehrere Bücher und DVDs zur klassischen Dressur veröffentlicht, die alle sehr empfehlenswert sind. Sie bietet regelmäßig Seminare und Fachtagungen an und jeder ist auf einen Besuch am Gut Rosenhof im Allgäu willkommen. Mehr Informationen zu Anja Beran sind auf ihrer Webseite zu finden.

Alexandra Kurland hat umfangreiches Lehrmaterial zu Clickertraining für Pferde veröffentlicht: Bücher, DVDs und einen Online-Kurs. Sie gibt regelmäßig Kurse, auch in Deutschland. Wer mehr wissen will sollte ihre Webseite und Blog besuchen.

(Einige Artikel von Alexandra findet ihr übersetzt auf dieser Homepage)

 

Seit 2018 veröffentlicht Alexandra zusammen mit Dominique Day, Mitbegründerin von Cavalia, den wöchentlichen Equiosity Podcast

https://www.equiosity.com


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